Call for Papers "Deutsch-französische Schriftstelleridentitäten"

Publié le 4. Dezember 2020 Mis à jour le 5. März 2021
du 4. Dezember 2020 au 1. März 2021

"Deutsch-französische Schriftstelleridentitäten" - Recherches Germaniques, hors-série n° 18, 2023 - Herausgegeben von Maryse Staiber und Dirk Weissmann

Deutsch-französische Schriftstelleridentitäten

Diese Sondernummer der Zeitschrift Recherches Germaniques wird sich dem Thema der deutsch-französischen Schriftstelleridentitäten widmen, d.h. der Figur von Schriftstellern, die in unterschiedlichen Ausprägungen nicht nur einem, sondern den literarischen Systemen Deutschlands und Frankreichs gleichzeitig angehören. Die Problematik der literarischen Identität soll hierbei insbesondere auf sprachlicher Ebene behandelt werden. In diesem Sinne werden sich die Analysen vorrangig mit verschiedenen Ausprägungen mehrsprachigen Schreibens und mit deren poetischen, biographischen und sozio-historischen Implikationen befassen. Von Fallstudien oder epochenübergreifenden Darstellungen ausgehend bis hin zu zweisprachigen Werken und Autoren, Sprachwechslern und Selbstübersetzern soll die Grundlage für eine literarische Verflechtungsgeschichte gelegt werden, welche die traditionellen Kartografien der Literatur ergänzt. Ein Teil dieser deutsch-französischen Literatur, insbesondere der Korpus, der sich mit dem Elsass und den deutschsprachigen Gebieten Lothringens befasst, war bereits Gegenstand einer Reihe von grundlegenden Studien. Allerdings geben die jüngsten Entwicklungen auf dem Gebiet der historischen, literaturwissenschaftlichen und soziolinguistischen Mehrsprachigkeitsforschung dazu Anlass, das Thema erneut zu untersuchen sowie die vorliegenden Arbeiten zu aktualisieren, zu ergänzen und zu erweitern.

Wissenschaftliche Problematik

Seit den Anfängen der modernen Philologie wurden die literarischen Systeme nach dem Modell der Nationalstaaten konzipiert und dabei eine territoriale Kongruenz von Staat, Sprache und Literatur vorausgesetzt. Im Fall Deutschlands und Frankreichs steht diese Logik der Gleichsetzung kultureller und politischer Grenzen im Widerspruch zur Existenz einer großen deutsch-französischen Kontaktzone, deren Geschichte auf die Teilung des karolingischen Reiches zurückreicht. Auf dem Gebiet des Erbteils von Lothar I. hat sich zwischen dem französischen und dem germanischen Reich eine kulturelle und sprachliche Kontaktzone herausgebildet. Dieser mehrkulturelle und sprachübergreifende Zwischenraum, dessen Nachwirkungen bis heute zu spüren sind, hat eine bedeutende literarische Produktion hervorgebracht. Das bekannteste Beispiel dafür ist die mehrsprachige Literatur im Elsass und in Lothringen. Die bisher weniger untersuchte Mehrsprachigkeit der Literatursysteme der Schweiz, Luxemburgs und Belgiens ist jedoch das Ergebnis der gleichen historischen Entwicklungen und Prägungen.

Über diese territorialen Besonderheiten hinaus hat die lange Geschichte der grenzüberschreitenden Bewegungen und des Austauschs zwischen dem französischen und dem deutschen Raum eine starke gegenseitige Durchdringung ihrer literarischen Systeme gefördert. Dies gilt insbesondere für historische Migrationsbewegungen wie die der Hugenotten. Aber es kann beispielsweise auch auf den emblematischen Einzelfall von Adelbert von Chamisso verwiesen werden, dessen Familie aus dem revolutionären Frankreich nach Deutschland floh. Neben diesen Migrationsbewegungen ist auch die Bedeutung der französischen Literatursprache für viele deutsche Schriftsteller und Intellektuelle zu berücksichtigen. Von der Aufklärung bis zur Gegenwart haben immer wieder deutsche Muttersprachler Werke in dieser Sprache geschaffen oder das Französische in ihre Texte einfließen lassen. In diesem Zusammenhang spielen die Avantgarden des frühen 20. Jahrhunderts eine wichtige Rolle, insofern bei ihnen der Gebrauch beider Sprachen besonders häufig zu finden ist. All diese Beispiele zeugen von der Herausbildung multipler literarischer Zugehörigkeiten, die im Widerspruch zur Vorstellung einer Deckungsgleichheit von Literatur, Sprache und Nation steht.

Neben einer erneuten Bestandsaufnahme und einer Neubewertung der geschichtlichen Bedeutung dieser Phänomene soll die geplante Sondernummer die kulturellen, ästhetischen und soziolinguistischen Implikationen solcher Schriftstelleridentitäten in verschiedenen historischen Kontexten analysieren. Hierbei spielt der Hintergrund der deutsch-französischen Beziehungen und ihrer Entwicklung selbstverständlich eine zentrale Bedeutung. Dabei sollen insbesondere die Verbindung zwischen Sprache und Kultur, der Begriff der literarischen Identität und die Möglichkeiten einer Transzendierung nationaler Zugehörigkeiten durch Literatur näher beleuchtet werden. Die Beiträge können und sollen sich auch kritisch mit dem vorgeschlagenen Begriff der deutsch-französischen Schriftstelleridentität auseinandersetzen und dessen Pertinenz, Relevanz und Anwendbarkeit hinterfragen.

Korpus

Folgende Autoren bzw. Kategorien von Autoren könnten für Beiträge in Betracht kommen, wobei diese Liste keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt:
 

  • Deutsch-französische Autoren, die beiden Sprachen einen wichtigen Platz in ihrem Werk eingeräumt haben (H. Heine, Y. Goll, H./J. Arp, M. Alexandre, R. Schickele, R. Haussmann, T. Ungerer, A. Weckmann, G.-A. Goldschmidt, A. Weber usw.)
  • Autoren deutscher Herkunft, die Französisch als hauptsächliche Literatursprache benutzt haben (F. M. Grimm, Baron d’Holbach, Friedrich II. von Preußen, Bertina Henrichs usw.)
  • Autoren französischer Herkunft, die Deutsch als hauptsächliche Literatursprache benutzt haben (A. Chamisso, F. Cactus, etc.)
  • Autoren deutscher Herkunft, die das Französische als zweite Literatursprache benutzt haben (A. von Humboldt, A. W. Schlegel, St. George, R. M. Rilke, W. Benjamin usw.
  • Autoren französischer Herkunft, die Deutsch oder eine deutschsprachige Varietät als zweite Literatursprache benutzt haben (Claude Vigée, C. Wajsbrot, S. Schenk-Gossolin usw.)
  • Deutschsprachige Autoren, deren Texte einen besonderen Einfluss der französischen Sprache in Form von Sprachmischungen, sprachlichen Interferenzen oder anderen Formen von textinterner Mehrsprachigkeit erkennen lassen (G. Büchner, F. Wedekind, P. Celan, etc.)
  • Autoren anderer Nationalitäten (Schweiz, Belgien, Luxemburg, usw.), die in ihren Werken neben anderen Literatursprachen auch Deutsch (oder eine seiner Varietäten) verwendet haben und eine ähnliche Identitätsproblematik erkennen lassen.

Terminplan der Publikation

Einsendung der Abstracts: 01/03/2021
Annahme der Vorschläge auf Basis der Abstracts: 01/05/2021
Einsendung der vollständigen Artikel: 01/01/2022
Endgültige Annahme der Artikel: 01/06/2022

Die Herausgeber bitten zunächst bis zum 1. März 2021 um Einsendung von Abstracts (Länge ca. 1000 Wörter). Nach Sichtung und Vorauswahl der eingegangenen Vorschläge werden die fertigen Artikel bis zum 1. Januar 2022 erbeten. Das entsprechende Stylesheet wird mit der Annahme der Vorschläge zugeschickt. Die Recherches Germaniques sind eine internationale peer reviewed-Zeitschrift. Alle Artikel werden einer doppelten und anonymen Evaluierung unterzogen.

Einsendung der Abstracts bis zum 1.3.21 an staiber@unsitra.fr und dirk.weissmann@univ-tlse2.fr